PRESSEÜBERSICHTEU-EUROPA ( 11.03.2005 16:05 )

 

Saar-Echo online-zeitung ( 11.03.2005 16:05)
Attac lehnt EU-Verfassung glattweg ab
Stuttgarter Erklärung der Europa-Konferenz: "Für ein anderes Europa, für ein solidarisches Europa" 

Attac - EU - Konferenz in Stuttgart indymedia
von Matthias Leimeister - 23.03.2005 20:40 

junge Welt vom 07.03.2005 Inland
Widerstandsrecht laut Artikel 20 Grundgesetz ist gegeben
Entwurf der EU-Verfassung bereitet stillschweigenden Staatsstreich vor. Europa-Konferenz von ATTAC fordert Gegenaktionen
jW-Bericht

Zum Widerstand gegen die geplante EU-Verfassung hat eine Europa-Konferenz des Netzwerkes ATTAC aufgerufen. An der Veranstaltung, die am Freitag und Samstag in Stuttgart stattfand, nahmen Gewerkschafter und Friedensaktivisten u.a. aus Österreich, Polen, Ungarn, Ghana, Tansania und Frankreich teil. Die Konferenz rief zum europaweiten Aktionstag gegen die EU-Verfassung am 19. April in Brüssel auf.

In der Abschlußerklärung des Kongresses heißt es, der Entwurf der EU-Verfassung laufe auf einen »Systemwechsel gegenüber den Festlegungen des Grundgesetzes« hinaus. Die Rolle des Militärs bleibe künftig nicht mehr auf die Landesverteidigung beschränkt, sondern werde »zugunsten einer militärisch-expansiven Interventionsfähigkeit zur Sicherung der EU-Wirtschaftsinteressen« verändert. Die EU schicke sich somit an, konkurrierend mit den USA selbst zur imperialen Weltmacht zu werden. Das sei ein Rückfall in die »imperialen Tradititionen der Kolonialreiche.«

In dem Dokument wird ferner kritisiert, die im Grundgesetz vorgeschriebene Zustimmung des Parlaments für Militäreinsätze werde mit der neuen Verfassung abgeschafft. Die Rolle des EU-Parlaments beschränke sich auf Anhörungsrechte. Außerdem höhle der Entwurf das vom Grundgesetz garantierte Sozialstaatsprinzip aus.

Nicola Andersson von der Gewerkschaft SUD in Avignon berichtete, die EU-Verfassung werde in Frankreich in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Nicht viel anders stellt sich die Situation in Deutschland dar. Zur Illustration berichtete Heike Hänsel von der Tübinger Gesellschaft »Kultur des Friedens«, bei dem vor der Konferenz anberaumten Pressegespräch hätten die anwesenden Journalisten zugegeben, vom Thema EU-Verfassung keine Ahnung zu haben.

»Polen lebt im Schock«, berichtete Stanislaw Ruszka. Seine Landsleute hätten nach der Abschaffung des Sozialismus große Erwartungen gehabt, sähen sich aber jetzt einer bitteren Realität gegenüber: Erpressung durch hohe Staatsverschuldung beim Internationalen Währungsfonds, jeder Fünfte sei arbeitslos, der Springer-Konzern habe die Medien in der Hand.

In seinem Eröffnungsbeitrag hatte Professor Ulrich Duchrow darauf hingewiesen, die EU-Verfassung solle den Neoliberalismus verfassungsrechtlich festschreiben. Diese Aushebelung des Grundgesetzes komme einem stillschweigenden Staatsstreich gleich. Damit sei das Widerstandsrecht nach Artikel 20 Grundgesetz aufgerufen.
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Adresse: http://www.jungewelt.de/2005/03-07/015.php


Brüsseler Spitzen
Widerstand ist notwendig
Von Annette Groth

Foto: privat

Annette Groth ist Mitglied der EU-AG Stuttgart des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac.

Zum breiten Widerstand gegen die EU-Verfassung hat jetzt eine internationale Europa-Konferenz in Stuttgart aufgerufen. Warum? In der Abschlusserklärung heißt es, dass »die grundgesetzliche Beschränkung des Militärs auf Landesverteidigung ausgehebelt wird zu Gunsten einer militärisch-expansiven Interventionsfähigkeit zur weltweiten Sicherung der EU-Wirtschaftsinteressen«. Daneben schafft der Verfassungsentwurf auch das grundgesetzlich garantierte Sozialstaatsprinzip ab, das »auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit privatkapitalistische Gewinninteressen« geopfert wird.
Dies komme einem stillschweigenden Staatsstreich gleich und damit sei das Widerstandsrecht nach Art. 20 des Grundgesetzes aufgerufen, betonte der Heidelberger Theologieprofessor Ulrich Duchrow. Die Koppelung von Wirtschaftsinteressen und militärischer Gewalt sei typisch für die europäische Geschichte der letzten 500 Jahre, so eine seiner zentralen Thesen. Die neoliberale Wirtschaftspolitik der EU findet in der Dienstleistungsrichtlinie einen bisherigen Höhepunkt. Deshalb ist es notwendig, dass Gewerkschaften und Zivilgesellschaften verstärkt auf europäischer Ebene zusammenarbeiten und gemeinsam für Mindestlöhne und Mindesteinkommen sowie für eine radikale Arbeitszeitverkürzung in Europa kämpfen.
Allerdings gibt es mit Blick auf die Verfassungsinhalte noch immer ein großes Informationsdefizit. Dass diese Verfassung auch richtungweisend für andere EU-Richtlinien ist, wird selbst in kritischen Kreisen kaum thematisiert. Auch der Fokus der Gewerkschaften ist fast ausschließlich auf die Bolkestein-Richtlinie gerichtet, während die Kampagne gegen die EU-Verfassung in den Hintergrund rückt. Die jüngst veröffentlichten Skandale in der Fleischindustrie machen deutlich, dass die sozialen Bewegungen die europaweite Konkurrenz der Lohnabhängigen verstärkt zum Thema machen müssen.
Mit der EU-Erweiterung ist ein wahrer Wettbewerb um die niedrigsten Steuern und Auflagen entbrannt. In Europa gibt es zwar einen einheitlichen Binnenmarkt, aber völlig unterschiedliche Steuer- und Sozialsysteme. Durch diesen Geburtsfehler der Union, der sich mit der Osterweiterung verschärft, werden Menschen gegeneinander ausgespielt und erpresst. Die Folgen dieser Politik sind einerseits ein massives Steuer- und Sozialdumping in den Beitrittsstaaten, wo bei extrem hoher Arbeitslosigkeit geringe Löhne und Arbeitnehmerrechte mit niedrigen Unternehmenssteuern einhergehen; und andererseits erhöhter Druck auf die Sozialsysteme in den alten EU-Ländern.
Um die Inhalte der EU-Verfassung bekannt zu machen und den Widerstand dagegen zu organisieren, ruft die Stuttgarter Erklärung zur Aussetzung der Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat auf und fordert die Durchführung eines Referendums zum Verfassungsvertrag. Das Europa, das wir wollen, setzt auf die weltweite Entwicklung demokratischer und sozialer Rechte und die Sicherung natürlicher Lebensgrundlagen und ordnet wirtschaftliche Interessen den Lebensinteressen der Menschen unter. Deshalb fordern wir den Verzicht auf die Privatisierung der Daseinsvorsorge u.a. in den Bereichen Wasser, Gesundheit, Bildung, die Durchsetzung von Steuergerechtigkeit anstelle weiteren Steuerdumpings zu Gunsten der Unternehmen und Vermögenden, eine solidarische Umverteilung der Erwerbsarbeit mit radikaler Arbeitszeitverkürzung sowie eine Angleichung der Lohn- und Sozialstandards nach oben, aber auch eine EU, die militärisch und atomar abrüstet - und rufen zur Teilnahme am europaweiten Aktionstag am 19. März in Brüssel auf.

(ND 11.03.05)